Veränderungen in Unternehmen brauchen Zeit. Die Zeiteinheit ist dabei meist Jahre – und nicht selten dauern Changeprozesse viel länger als geplant.

Die Corona-Pandemie hat diese zeitlichen Relationen durcheinander gewirbelt. Die Arbeitswelt ist innerhalb von wenigen Wochen eine andere geworden. Rund ein Drittel aller Beschäftigten verrichten heute ihre Arbeit von zu Hause aus. Das mag zwar noch nicht als eigentlicher Changeprozess durchgehen – für viele Führungskräfte und Mitarbeitende kommt es aber einem solchen gleich.

Quelle: BitKom.org

Die rapide Änderung des räumlichen Arbeitsverhaltens wird die Pandemie überleben. Dazu gibt es viele Indizien. Die meisten Angestellten wünschen sich für das Post-Pandemie-Zeitalter ein mobiles oder hybrides Arbeiten – also eine Mischung aus Büroarbeit und Homeoffice. Was früher undenkbar schien, ermöglichte die Pandemie in kurzer Zeit. Homeoffice wurde quasi salonfähig und in vielen Unternehmen akzeptiert.

Die Arbeitswelt nach der Pandemie wird eine andere sein als jene davor. Denn der Digitalisierungsschub soll nicht gleich wieder über Bord geworfen werden. Die Möglichkeiten, die dank der Distanzarbeit in der Pandemie entstanden sind, wollen weiterhin genutzt werden. Die Produktivität der Arbeit zu Hause hat sich als erstaunlich hoch erwiesen, diese Erfahrung haben viele Unternehmen gemacht (vgl. Statista 2021 oder auch Rundstedt, Smart Working» 2021). Und die Zeitsouveränität im Homeoffice hat manch ein Angestellter zu schätzen gelernt.

Von der neuen Arbeitswelt tangiert ist aber auch die Zusammenarbeit der Teams und die Funktionsweise der Führungskräfte. Beide Aspekte haben in der Pandemie gelitten. Ein besonderes Augenmerk verdient darum die Unternehmenskultur nach Corona. Die Kultur eines Unternehmens ist häufig ein Gradmesser, wie verbunden, wie «committed» die Arbeitnehmer sich zu ihrem Unternehmen fühlen und wie sich ein Arbeitgeber um das Wohl seiner Angestellten kümmert.

Die Unternehmen müssen sich in absehbarer Zeit mit diesen Fragen auseinandersetzen: Wie begegnen wir den Wünschen unserer Mitarbeitenden, auch künftig mobil oder eben hybrid zu arbeiten? Wie handhaben unsere Führungskräfte die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden – die einen wollen zurück ins Office, die andern flexibel bleiben und mal im Homeoffice, mal im Büro arbeiten?

Während der Pandemie haben sich viele Beschäftigte darüber beklagt, dass sie zu wenig von ihren Arbeitgebern unterstützt worden sind. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ging verloren – und die Kommunikation über relevante Vorgänge und Entscheidungen im Unternehmen blieb auf der Strecke. Das alles wirkt sich negativ aus auf die Unternehmenskultur – sie wird zunehmend unfassbar, diffus, distanziert.

Für aufmerksame, kultur-affine Führungskräfte liegt darin die grosse Chance, sich für eine neue Unternehmenskultur stark zu machen: Indem sie die neuen Realitäten nach der Pandemie einbeziehen in ihre strategischen Überlegungen; indem sie bei den Mitarbeitenden Feedback und Ideen einholen, um von ihnen zu erfahren, wie sie die neue Arbeitswelt im eigenen Unternehmen mitgestalten möchten; indem sie all die Errungenschaften, welche die Pandemie zutage gefördert hat, in der Zeit danach am Leben erhalten. Dazu gehören etwa die technischen Voraussetzungen für eine verstärkte digitale Zusammenarbeit. Oder die neuen Konferenz-Formen, die auch Erleichterungen (Zeit- und Wegersparnis) gebracht haben. Diese Corona-Dividende wird Teil der neuen hybriden und mobilen Unternehmenskultur sein.

Damit geht den Führungskräften die Arbeit nicht so schnell aus. Die Suche nach der besten Kombination von Arbeitsmodellen fordert sie schon heute stark heraus.  Daneben müssen sie den corona-bedingt verkümmerten Teamspirit wieder aufleben lassen, was nicht minder anspruchsvoll sein dürfte. Bald wird sich zeigen, wie die Führungskräfte diese herkulischen Aufgaben – die gleichermassen auch Chancen sind – anpacken werden.

Autor: Reto Schlatter, reto.schlatter@visias.ch

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